Veranstaltung: | Landesdelegiertenkonferenz 26.10.2019 |
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Tagesordnungspunkt: | 4. Freiheit! Aber sicher. |
Status: | Beschluss |
Beschluss durch: | LDK |
Beschlossen am: | 26.10.2019 |
Eingereicht: | 21.11.2019, 14:06 |
Antragshistorie: | Version 1 |
Freiheit sichern, Grundrechte verteidigen - Für ein rechtsstaatliches Polizeigesetz in Mecklenburg-Vorpommern
Beschlusstext
Die Landesregierung in Mecklenburg-Vorpommern plant mit dem Sicherheits- und
Ordnungsgesetz (SOG) ein neues Polizeigesetz. Mit mehr Überwachung erwecken CDU
und SPD den Eindruck von mehr Sicherheit. Einmal mehr schränkt die große
Koalition die Bürgerrechte ein, während sie die Befugnisse der
Sicherheitsbehörden ausweitet. Die Bürgerinnen und Bürger zahlen dafür einen
hohen Preis: Das neue Polizeigesetz vergrößert die Wahrscheinlichkeit, dass auch
Unbeteiligte in den Fokus polizeilicher Maßnahmen geraten. Dabei ist noch nicht
einmal erwiesen, dass die geplanten Regelungen unser Bundesland auch tatsächlich
sicherer machen werden. Im Gegenteil wird für viele Befugnisse kein konkreter
Bedarf dargelegt; oft werden keine Beispiele für mögliche Einsatzfelder genannt
und sind auch nicht ersichtlich. Statt die Wirksamkeit der bestehenden und
geplanten Instrumente zu analysieren, wird der falsche Eindruck erweckt, dass
die pauschale Erweiterung der Befugnisse Straftaten verhindern könnte. Die
Innenpolitik der Landesregierung scheint lediglich auf eine gefühlte Sicherheit
abzuzielen, statt sich um effektive und langfristige Lösungen zu bemühen. Einen
Abbau von Bürgerrechten ohne Sinn und Verstand wird es mit uns BÜNDNISGRÜNEN
aber nicht geben. Wir fordern eine sachliche und ehrliche Analyse der
Sicherheitslage statt eine immer weitergehende, blinde Aufrüstung oder billige
Placebos.
I. Nein zum neuen Polizeigesetz
Nach dem Entwurf für ein neues Gesetz über die öffentliche Sicherheit und
Ordnung in Mecklenburg-Vorpommern (SOG-E) soll die Landespolizei eine Reihe
neuer Befugnisse erhalten. Dabei geht es unter anderem um die Befugnis,
Videoaufnahmen von öffentlichen Veranstaltungen anzufertigen, Computer online zu
durchsuchen, über eine Quellen-Telekommunikationsüberwachung Chats und E-Mails
mitzulesen, im Rahmen einer Bestandsdatenauskunft Passwörter abzufragen und in
einer Cloud gespeicherte Daten sicherzustellen. Viele dieser Befugnisse soll die
Polizei bereits weit im Vorfeld einer Gefahr wahrnehmen können. Wir BÜNDNISGRÜNE
lehnen das Konzept der "drohenden Gefahr" ab. Als "Gefahr einer Gefahr" stellt
diese keine hinreichend klare Voraussetzung für polizeiliches Handeln dar.
1. Lückenhafter Kernbereichsschutz
Die neuen Befugnisse, die die Landespolizei erhalten soll, sind so weitreichend,
dass selbst Eingriffe in die Intimsphäre nicht ausgeschlossen sind. Daher
enthält § 26a SOG-E Maßnahmen zum Schutz des so genannten "Kernbereichs privater
Lebensgestaltung". So sind Datenerhebungen grundsätzlich abzubrechen, wenn
Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass Erkenntnisse aus dem Kernbereich
privater Lebensgestaltung erfasst werden. Der Schutz, den § 26a SOG-E
gewährleisten soll, weist jedoch Lücken auf. So ist nach § 26a Abs. 3 S. 1 2.
Hs. SOG-E eine Datenerhebung ausnahmsweise dann nicht abzubrechen, wenn
polizeiliche Ermittlungen nicht durch eine Enttarnung von eingesetzten Personen
(Verdeckte Ermittler*innen und V-Leute) und damit deren weitere Verwendung zu
Ermittlungszwecken gefährdet werden dürfen.
Die geplante Regelung gestattet explizit das bewusste Eindringen in die
höchstpersönliche Intimsphäre. Nach der Rechtsprechung des
Bundesverfassungsgerichts gehört der Kernbereich privater Lebensgestaltung
direkt zur Menschenwürde - und muss damit unantastbar bleiben. Das gilt
mutmaßliche Kriminelle genauso wie für alle anderen Menschen. Das bedeutet, dass
ein Abbruch von Überwachungsmaßnahme für jeden Fall vorzusehen ist, in dem der
Kernbereich privater Lebensgestaltung tangiert wird. Wir BÜNDNISGRÜNE fordern
einen lückenlosen Schutz des Kernbereichs privater Lebensgestaltung.
2. Unzureichender Schutz von Pressevertreter*innen
Wenn die Polizei die Telekommunikation von Pressevertreter*innen überwachen oder
technische Mittel zur Datenerhebung in Redaktionsräumen oder Wohnungen einsetzen
darf, beeinträchtigt dies die Pressefreiheit. Pressevertreter*innen sind
Berufsgeheimnisträger*innen und dürfen daher gemäß § 53 Abs. 1 Nr. 5 StPO
gegenüber der Polizei die Aussage verweigern. Nach § 26b Abs. 1 SOG-E soll die
Polizei aber Maßnahmen zu Datenerhebung gegen Presservertreter*innen, Ärzt*innen
richten dürfen, wenn dies zur Abwehr einer gegenwärtigen Gefahr für Leib, Leben
oder Freiheit erforderlich ist. Warum die Norm zwischen verschiedenen
Berufsgeheimnisträger*innen unterscheidet und nur Geistlichen, Abgeordneten und
Anwält*innen einen umfassenden Berufsgeheimnisschutz gewährt, bleibt unklar. Vor
allem aber wird der Auftrag der Presse, Missstände an die Öffentlichkeit zu
bringen, erheblich gefährdet, wenn Informanten befürchten müssen, dass ihre
Informationen nicht anonym bleiben. Wir BÜNDNISGRÜNE fordern einen lückenlosen
Schutz von Pressevertreter*innen als Berufsgeheimnisträger*innen.
3. Ausufernde Überwachung von Unbeteiligten
Maßnahmen der Polizei zur Gefahrenabwehr dürfen sich grundsätzlich nur gegen
solche Personen richten, die für eine Gefahr verantwortlich sind. Gegen
unbeteiligte Dritte dürfen sich diese Maßnahmen nur unter den strengen
Voraussetzungen des polizeilichen Notstandes nach §§ 68 ff. SOG-E richten.
Dieser Grundsatz wird durch viele der neuen Vorschriften ausgehöhlt, unter
anderem durch die Befugnis zur Überwachung von Kontakt- und Begleitpersonen nach
§ 27 Abs. 3 Nr. 2 SOG-E. Auch werden Online-Durchsuchung und Quellen-
Telekommunikationsüberwachung ausdrücklich auch dann für zulässig erklärt, wenn
Dritte unvermeidbar betroffen sind (§§ 33c Abs. 2 S. 2, 33d Abs. 1 S. 3 SOG-E).
Bei diesen Überwachungsmaßnahmen ist die Streubreite nachweislich sehr groß. Sie
treffen zahlreiche Personen, die durch ihr Verhalten keinerlei Anlass für eine
Überwachung geboten haben. Solche Maßnahmen sind daher besonders
eingriffsintensiv und können leicht dazu benutzt werden, um ganze Milieus
auszuforschen, die suspekt erscheinen. Um bei der Überwachung von Unbeteiligten
die Verhältnismäßigkeit zu wahren, sind polizeiliche Datenerhebungen nach
Auffassung von uns BÜNDNISGRÜNEN auf solche Kommunikationsvorgänge zu
beschränken, die sich auf den Anlass für die Überwachung beziehen und die einen
Bezug zur Zielperson haben. Daten, die keinen Bezug zum Anlass der Maßnahme
haben, sind unverzüglich zu löschen.
4. Anlasslose Videoüberwachung öffentlicher Veranstaltungen
§ 32 Abs. 1-3 SOG-E regelt die Videoüberwachung von öffentlichen Veranstaltungen
oder Ansammlungen sowie im übrigen öffentlichen Raum. Problematisch sind hier
insbesondere die niedrigen Eingriffsschwellen. So sollen Übersichtsaufnahmen
schon dann zulässig sein, wenn dies zur Lenkung und Leitung des Einsatzes
erforderlich ist. Dieses weiche Krititerium ist gerichtlich kaum überprüfbar und
hat zu Folge, dass die Polizei jede nicht ganz kleine Veranstaltung filmen darf,
ohne dass irgendeine gefährliche Situation bestehen muss. Wir BÜNDNISGRÜNE
wollen überhaupt keine anlasslose Videoüberwachung. In jedem Fall sollte aber
eine Regelung, die eine anlasslose Videoüberwachung zulässt, verfassungsgemäß
sein. Für Informationserhebungen bei einer Vielzahl von Personen, die hierfür
keinerlei Anlass gegeben haben, verlangt das Bundesverfassungsgericht, dass
diese dem Schutz eines Rechtsguts von erheblichem Gewicht dienen muss. Hier muss
der SOG-E unbedingt nachgebessert werden.
5. Kein Einsatz von Bodycams in Wohnungen ohne richterliche Anordnung
Ein typisches Beispiel für irrationale Sicherheitspolitik ist die Verwendung von
körpernah getragener Aufnahmegeräte, kurz Bodycams, die 2018 testweise ins SOG
eingeführt wurde. Noch bevor die Ergebnisse des Modellversuchs vorlagen, wurde
im SOG-Entwurf eine Verstetigung des Einsatzes dieser Geräte vorgesehen. Dabei
ist schon die Eignung des Einsatzes polizeilicher Bodycams für den Schutz von
Polizeibeamten oder Dritten umstritten. Vor allem aber stellt der Einsatz von
Bodycams im öffentlichen Raum und im privaten Bereich einen erheblichen Eingriff
in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung sowie die Unverletzlichkeit
der Wohnung dar. Technische Mittel zur Überwachung von Wohnungen dürfen nach
Artikel 13 Absatz 4 Grundgesetz nur auf Grund richterlicher Anordnung eingesetzt
werden. Einen solchen Richtervorbehalt sucht man in § 33 Abs. 7 SOG-E jedoch
vergeblich. Die Norm wird von uns BÜNDNISGRÜNEN daher als verfassungswidrig
abgelehnt.
6. Online-Durchsuchungen streichen
§ 33c SOG-E erlaubt den Einsatz technischer Mittel für den Eingriff in vom
Betroffenen genutzte IT-Systeme. Die so genannte Online-Durchsuchung ist eine
Überwachungsmaßnahme von bisher nicht gekannter Intensität. Anders als bei der
Wohnungsdurchsuchung, bei der die Polizei eine Wohnung betritt und mit der
Kenntnis der Betroffenen sowie in Gegenwart von Zeug*innen durchsucht, werden
mit der Online-Durchsuchung verdeckt über einen längeren Zeitraum Daten der
Betroffenen gesammelt. Die Maßnahme darf ausdrücklich auch dann durchgeführt
werden, wenn Dritte unvermeidbar betroffen sind. Zur Durchführung von Online-
Durchsuchungen soll auch das verdeckte Betreten und Durchsuchen der Wohnung der
betroffenen Personen zulässig sein.
Soweit die Online-Durchsuchung für eine effektive Gefahrenabwehr insbesondere im
Bereich des Terrorismus für erforderlich erklärt wird, ist demgegenüber
einzuwenden, dass das Bundeskriminalamt für die Abwehr terroristischer Gefahren
zuständig ist. Eine Regelung der Online-Durchsuchung im SOG ist daher nicht
erforderlich. Und schließlich werden dabei sog. Trojaner eingesetzt, die
Schwachstellen in IT-Systemen fördern. Dadurch fördern die Sicherheitsbehörden
Risiken für Privatpersonen oder gar kritische Infrastrukturen. Wir BÜNDNISGRÜNE
fordern die Streichung der Befugnis zur Durchführung von Online-Durchsuchungen
aus dem SOG-E.
7. Quellen-Telekommunikationsüberwachung streichen
§ 33d Abs. 3 S. 1 SOG-E schafft eine Befugnis zur Überwachung und Aufzeichnung
der Telekommunikation der Gestalt, dass verdeckt mit technischen Mitteln in von
der betroffenen Person genutzte informationstechnische Systeme eingegriffen
wird. Nach § 33d Abs. 3 S. 2 SOG-E dürfen auch auf dem informationstechnischen
System der betroffenen Person gespeicherte Inhalte und Umstände der
Kommunikationen überwacht und aufgezeichnet werden, wenn diese auch während des
laufenden Übertragungsvorgangs hätten überwacht und aufgezeichnet werden können.
Wenn auf ruhende Kommunikationsdaten zugegriffen werden darf, findet aber gerade
keine Beschränkung der Datenerhebungen auf laufende Telekommunikationen statt,
sondern eine Durchsuchung des informationstechnischen Systems nach einer
bestimmten Kategorie von Daten. Deshalb wird in diesem Zusammenhang verbreitet
von einer "kleinen Online-Durchsuchung" gesprochen. Gegen die "kleine" Online
Durchsuchung bestehen dieselben Bedenken wie gegen die "große" Online-
Durchsuchung. Wir BÜNDNISGRÜNE fordern die Streichung der Befugnis zur
Durchführung von Quellen-Telekommunikationsüberwachungen aus dem SOG-E.
8. Anfrage von Passwörtern nur unter Richtervorbehalt
Neben Telekommunikationsbestandsdaten sollen nach § 33h SOG-E zukünftig auch
Telemedienbestandsdaten erhoben werden. Schon gegen die bisherige Regelung haben
wir BÜNDNISGRÜNE vor dem Landesverfassungsgericht geklagt. Mittlerweile hat der
Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in Strasbourg entschieden, dass die
Abfrage von Passwörtern wie auch die Abfrage dynamischer IP-Adressen unter
Richtervorbehalt gestellt werden muss. Dem muss der Landesgesetzgeber nach
Meinung von uns BÜNDNISGRÜNEN Rechnung tragen.
9. Keine automatisierte Kennzeichenerfassung ohne Grenzbezug
In den letzten Jahrzehnten wurden bereits verschiedener Instrumente zur
ausufernden Überwachung eingeführt: Per automatisierter Kennzeichenerfassung
werden massenhaft Personen erfasst, ohne dass diese einen Anlass dazu gegeben
haben oder davon auch nur erfahren. Mit der Schleierfahndung werden
gefahrenunabhängige Kontrollen ermöglicht, die als Ersatz für Grenzkontrollen im
Schengen-Raum dienen sollen. Beide Instrumente sind an sich schon problematisch.
Besonders exzessive Datenerhebungen werden in Mecklenburg-Vorpommern aber durch
eine Kombination aus ihnen möglich.
Nach § 43a Abs. 1 Nr. 6 SOG-E kann die Polizei im öffentlichen Verkehrsraum
technische Mittel zur Erkennung von Kraftfahrzeugkennzeichen unter anderem in
dem Gebiet von der Bundesgrenze bis einschließlich der Bundesautobahn A 20
einsetzen. Als Mittel der Schleierfahndung zur Bekämpfung der
grenzüberschreitenden Kriminalität muss die Kennzeichenerfassung nach der
Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts einen klaren örtlichen und
sachlichen Grenzbezug haben. Nach Nr. 6 sollen die Kontrollen aber von der
Bundesgrenze bis einschließlich der Bundesautobahn A 20 möglich sein. Das ist
schon deshalb völlig unverhältnismäßig, weil damit fünf der sieben größten
Städte des Landes betroffen sein können. Wir BÜNDNISGRÜNE fordern daher die
Streichung der Befugnis zur automatisierten Kennzeichenerfassung nach § 43a Abs.
1 Nr. 6 SOG-E.
10. Rasterfahndungen nur bei konkreter Gefahr für hochrangige Rechtsgüter
§ 44 SOG-E erlaubt unter bestimmten Voraussetzungen Rasterfahndungen zur
Gefahrenabwehr. Allerdings ist eine präventive polizeiliche Rasterfahndung nach
der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts mit dem Grundrecht auf
informationelle Selbstbestimmung nur dann vereinbar, wenn eine konkrete Gefahr
für hochrangige Rechtsgüter wie den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder
eines Landes oder für Leib, Leben oder Freiheit einer Person gegeben ist. Im
Vorfeld der Gefahrenabwehr scheidet eine Gefahrenabwehr aus. Darum ist § 44 Abs.
1 Nr. 1 SOG-E eindeutig verfassungswidrig. Wir BÜNDNISGRÜNE fordern daher die
Streichung des 44 Abs. 1 Nr. 1 SOG-E.
11. Durchsuchung von Cloud-Daten nur unter Richtervorbehalt
§ 57 Abs. 2 SOG-E erlaubt die Durchsuchung von elektronischen Speichermedien und
vom Durchsuchungsobjekt räumlich getrennten Speichermedien, soweit von diesen
auf sie zugegriffen werden kann. Damit gelten für sie die gleichen
Voraussetzungen wie für die Durchsuchung eines Rucksacks, obwohl sich auf
Speichermedien regelmäßig viel mehr und viel sensiblere Daten befinden. Zum
Schutz der Grundrechte der Betroffenen sind solche Durchsuchungen nur unter
strengen Voraussetzungen, insbesondere nur zur „Abwehr einer Gefahr für ein
bedeutendes Rechtsgut“ zuzulassen. Zudem darf auf vom Durchsuchungsobjekt
räumlich getrennte Speichermedien nur zugegriffen werden, wenn andernfalls der
Verlust der gesuchten Daten zu besorgen ist. Denn nur wenn ein Daten-und
Beweismittelverlust zu befürchten ist, also das externe Speichermedium (z.B.
Daten in der Cloud) nicht rechtzeitig gesichert werden kann, ist ein derart
weitgehender Eingriff vertretbar.
Darüber hinaus ist die Befugnis zur Durchsuchung elektronischer Speichermedien
und Clouds nach Auffassung von uns BÜNDNISGRÜNEN unter einen Richtervorbehalt zu
stellen. Zwar handelt es sich bei der Durchsuchung um eine offene Maßnahme.
Insbesondere die systematische Durchsuchung und Auswertung von Festplatten und
Clouds mit Analysetools stellt einen erheblichen Grundrechtseingriff dar, der
einem Eingriff in das Grundrecht auf Gewährleistung der Vertraulichkeit und
Integrität informationstechnischer Systeme nahekommt. Über die Anordnung einer
solchen Maßnahme hat daher grundsätzlich ein Richter zu entscheiden.
12. Meldeauflagen nur zur Verhügung von Straftaten von erheblicher Bedeutung
Nach § 52b Abs. 1 S. 1 SOG-E kann eine Meldeauflage auferlegt werden, um "eine
Straftat zu verhüten". Eine nähere Bestimmung dieser Straftat erfolgt nicht, so
dass diese Straftat auch bagatellhafter Natur sein kann. Folge ist, dass die
Betroffenen zu bestimmten Terminen festgelegte Polizeidienststellen aufsuchen
müssen. Eine Meldeauflage kann dadurch die persönliche Lebensgestaltung
erheblich beeinträchtigen, und das mitunter weit im Vorfeld einer konkreten
Gefahr. Um dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu genügen, muss der Landtag
nach Meinung von uns BÜNDNISGRÜNEN zumindest abstrakt eine Beschränkung auf
Straftaten von erheblicher Bedeutung vornehmen und die Maßnahme von Anfang an
unter Richtervorbehalt stellen.
13. Kein Schusswaffeneinsatz gegen Personen allein zur Durchsetzung des
Strafanspruchs
Der Gesetzgeber darf nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts keine
Eingriffe vorsehen, die den Maßnahmezwecken eindeutig zuwider laufen. Gegen
einen toten Beschuldigten kann der Staat seinen Strafanspruch nicht mehr
durchsetzen. In einem solchen Eingriff fallen die mögliche Zweckförderung und
die keineswegs hinreichend verlässlich auszuschließende Zweckförderung zusammen.
Aus Sicht von uns BÜNDNISGRÜNEN ist der zu rein strafverfolgenden Zwecken
abgegebene Schusswaffeneinsatz ungeeignet und daher verfassungswidrig.§ 109 Abs.
2 Nr. 3a und 4a SOG-E sind daher zu streichen.
II. Wirksame Kontrolle für die Polizei
Die Landespolizei war in den vergangenen Monaten mehrfach in den Schlagzeilen.
Zwei Polizeibeamte haben ihre Dienststellung ausgenutzt, um sich die
Kontaktdaten minderjähriger Mädchen zu verschaffen. Zwei ehemalige Mitglieder
und ein aktives Mitglied des Sondereinsatzkommandos stehen im Verdacht, mehr als
10.000 Schuss Munition für die rechtsextremistische "Prepper"-Szene beiseite
geschafft zu haben. Eine Polizist nutzte mutmaßlich seinen dienstlichen Zugang
zu Datenbanken, um von vermeintlichen politischen Gegner*innen private Daten bis
hin zu Wohnungsgrundrissen zu erlangen. Drei leitende Polizist*innen sollen
zudem daran beteiligt gewesen sein, die Ermittlungen gegen einen Kollegen in
einem Fall häuslicher Gewalt zu vereiteln. Nach Ansicht der Landesregierung
handelt es sich dabei um Einzelfälle. Doch ist es genau diesen Herunterspielen
von Missständen, die eine Aufklärung behindern und eine Kultur des Wegsehens
begünstigen. Stattdessen braucht die Polizei eine offene und ehrliche
Fehlerkultur. Das ist Ausdruck einer bürgernahen Polizei, die sich nicht gegen
Einflüsse von außen abschottet. Dies zeigt sich einerseits durch allgemeine
Offenheit und Transparenz, die auf eine Rhetorik der Ausreden verzichtet. Aus
Sicht von uns BÜNDNISGRÜNEN brauchtdie Polizei andererseits ganz konkret mehr
Kontrolle von außen, zum einen durch eine Erweiterung der Befugnisse des
Landesbeauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit, zum anderen durch
die Schaffung einer unabhängigen polizeilichen Beschwerdestelle.
1. Aufsicht durch den Landesbeauftragten für Datenschutz
In § 48b SOG-E ist die Aufsicht des Landesbeauftragten für den Datenschutz und
die Informationsfreiheit Mecklenburg-Vorpommern über von der Polizei
vorgenommene Datenverarbeitungen geregelt. Dabei fällt auf, dass der
Landesbeauftragte nur die Befugnisse entsprechend Art. 58 Abs. 1 und Art. 58
Abs. 2 lit. a und b DS-GVO ausüben können soll. Danach kann der Landespolizei
bei Verstößen lediglich warnen und verwarnen. Eine effektive Aufsicht ist unter
diesen Umständen nicht möglich. Wir BÜNDNISGRÜNE fordern, dass der
Landesbeauftragte auch im Bereich der Datenverarbeitung zum Zweck der Verhütung
und Verfolgung von Straftaten von der gesamten Palette seiner Abhilfebefugnisse
nach Art. 58 Abs. 2 DS-GVO Gebrauch machen, also beispielsweise Verbote
verhängen und Löschungen anordnen kann.
2. Umwandlung des Bürgerbeauftragten in einen Bürger- und Polizeibeauftragten
Das Land Rheinland-Pfalz hat seinen Bürgerbeauftragten schon vor Jahren in einen
Bürger- und Polizeibeauftragten umgewandelt und hierzu lediglich das Gesetz über
den Bürgerbeauftragten ergänzt. Bürgerinnen und Bürger, aber auch Polizistinnen
und Polizisten haben seither eine Stelle, bei der sie sich notfalls auch anonym
und ohne Einhaltung des Dienstweges über Fehler, Missstände und grenzwertige
Vorgänge bei der Landespolizei beschweren können. Die Erfahrungen in Rheinland-
Pfalz sind durchweg positiv. Wir BÜNDNISGRÜNE wollen, dass auch in Mecklenburg-
Vorpommern eine unabhängige Beschwerdestelle für die Polizei geschaffen wird.
III. Reform der Polizistenausbildung
Die Polizei hat ein massives Nachwuchsproblem. In vielen Dienststellen nicht nur
der Kriminalpolizei sind die jüngsten Beamtinnen und Beamten über 50 Jahre alt.
Vor kurzem hat die Landesregierung beschlossen, mehr junge Beamtinnen und Beamte
einzustellen. Doch die müssen zunächst einmal ausgebildet werden. Das Problem
ist nur: Die Polizeiausbildung hat sich in den vergangenen Jahrzehnten kaum
verändert.
1. Schaffung von Spezialisierungsmöglichkeiten
Die Anwärterinnen und Anwärter erhalten alle die gleiche polizeiliche
Grundausbildung. Es besteht keine Möglichkeit, sich auf eine bestimmte
Fachrichtung zu spezialisieren. Dabei stellt der Beruf der Polizistin oder des
Polizisten, je nach Einsatzgebiet, ob im Streifendienst, bei der
Bereitschaftspolizei oder als Mitglied einer Mordkommission, sehr
unterschiedliche Anforderungen. Wir BÜNDNISGRÜNE fordern eine Reform der
Polizistenausbildung, die diesen unterschiedlichen Anforderungen durch frühe
Spezialisierungsmöglichkeiten Rechnung trägt, z.B. durch eine zweijährige
gemeinsame Ausbildung aller Polizist*innen und der Spezialisierung ab dem
dritten Ausbildungsjahr.
2. Politische Bildung als Aus- und Fortbildungsbestandteil
Als Beamtinnen und Beamte haben die Polizistinnen und Polizisten aktiv für die
freiheitliche demokratische Grundordnung einzutreten. Doch was macht die genau
aus? Was für Erwartungen stellt ein Staat an seine Beamtinnen und Beamten, wenn
er die Menschenwürde als obersten Wert ganz an den Anfang seines Grundgesetzes
stellt? Wir BÜNDNISGRÜNE wollen eine Polizei, die sich aktiv für unsere
demokratische Staatsform, das damit verbundene Rechtsstaatsprinzip und die
Menschen- und Bürgerrechte als Grundwerte einsetzt. Dafür muss sie diese jedoch
Tag für Tag mit Leben füllen können. Die politischen Grundentscheidungen unserer
Verfassung müssen daher Eingang in die Aus- und Fortbildung unserer
Polizeibeamtinnen und -beamten finden!
3. Keine verurteilten Straftäter als Ausbilder*innen der Landespolizei
Die Ausbilderinnen und Ausbilder der Landespolizei haben Vorbildfunktion.
Dennoch wird an der Fachhochschule für öffentliche Verwaltung in Güstrow
zumindest ein verurteilter Straftäter eingesetzt. Medienberichten zufolge soll
auch einer der Polizisten, denen jüngst Strafvereitelung im Amt vorgeworfen
wurde, an der FH Güstrow eingesetzt werden. Wir BÜNDNISGRÜNE sagen: Diese Art
von Personalpolitik muss ein Ende haben. Die zukünftigen Polizistinnen und
Polizisten unseres Landes haben ein Recht darauf, nicht nur von fachlich
versierten, sondern auch von persönlich integren Fachkräften ausgebildet zu
werden!
Wir BÜNDNISGRÜNE stehen für einen liberalen Rechtsstaat, der die Sicherheit des
Gemeinwesens ebenso schützt wie die Bürgerrechte einer jeder Einzelnen und eines
jeden Einzelnen. Die historische Erfahrung lehrt, dass Freiheit in kleinen
Schritten stirbt. Viele der von der SPD/CDU-Landesregierung geplanten
Ausweitungen der polizeilichen Befugnisse gehen zu weit, sind mit
rechtsstaatlichen Grundsätzen unvereinbar, setzen die Grundrechte aufs Spiel und
sind verfassungsmäßig bedenklich. Sie zählen zu diesen kleinen Schritten, mit
denen wieder einmal der Versuch gemacht wird, die Bürgerrechte weiter
auszuhöhlen. Wir werden daher gemeinsam mit Bürgerinitiativen und anderen
Akteuren alle Möglichkeiten nutzen, um die Verfassungskonformität des SOG
überprüfen zu lassen. Bürgerrechte sind ein viel zu hohes Gut, um sie einer oft
populistisch motivierten Eingrenzung der Freiheit zu opfern.