Veranstaltung: | Landesdelegiertenkonferenz 26.10.2019 |
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Tagesordnungspunkt: | 13. Verschiedene Anträge |
Status: | Beschluss |
Beschluss durch: | LDK |
Beschlossen am: | 26.10.2019 |
Eingereicht: | 21.11.2019, 16:13 |
Antragshistorie: | Version 1 |
Länder und Kommunen bei der Umsetzung konkreter Klimaschutzmaßnahmen nicht weiter behindern
Beschlusstext
Spätestens mit der „Fridays for Future“ Bewegung hat Klimaschutz in der
öffentlichen Debatte den Stellenwert eingenommen, der aufgrund der
Ernsthaftigkeit und Dringlichkeit der Lage angemessen ist. Bereits Jahrzehnte
früher haben Wissenschaftler*innen weltweit vor den potentiellen Folgen
ausbleibender Klimaschutzmaßnahmen gewarnt. Die Regierungen dieser Welt haben
seither immer neue Pläne, Ziele und Versprechungen gemacht. Zu wenige
Versprechungen sind gehalten, zu viele Ziele gerissen und Pläne verworfen
worden. Umso enttäuschender sind die Ergebnisse des Klimakabinetts, die bei
weitem nicht ausreichen um die Ziele des Pariser Klimaabkommen zu erreichen.
Die Landesdelegiertenkonferenz von Bündnis 90/Die Grünen Mecklenburg-Vorpommern
stellt fest:
- Durch die bestehende Handlungsunwilligkeit und -unfähigkeit lässt sich die
Klimakrise nicht mehr abwenden, sie ist bereits eingetreten.
- Weltweit ist die Durchschnittstemperatur schon heute um 1°C angestiegen
(relativ zu 1850-1900). Rund die Hälfte des Anstiegs erfolgte in den
letzten 30 Jahren.
- Machen wir „weiter wie bisher“ reicht das verbleibende Emissionsbudget für
den 1,5°C Pfad nur noch für weniger als 10 Jahre. Selbst das Budget zum
Erreichen des 2°C Ziels wäre spätestens in 30 Jahren überschritten und zum
Ende des Jahrhunderts wird die Erderwärmung bei über 3°C liegen.
- Das Zeitfenster, in dem wir noch Kontrolle über die Entwicklung des Klimas
haben, ist schon fast geschlossen.
- Um das Ausmaß der Krise und ihre Auswirkungen so gering wie möglich zu
halten, ist umgehendes, beherztes Handeln erforderlich.
- Das Leben auf Kosten unserer Kinder und Enkel muss aufhören.
- Die Ergebnisse des Klimakabinetts sind eine riesige Enttäuschung, mit der
die Bundesregierung die Chance verspielt, die Pariser Klimaziele doch noch
zu erreichen.
- Die Klimakrise hat viele Einzelursachen, die sich summieren.
Dementsprechend zählt jede Einzelmaßnahme, jede eingesparte Tonne CO2,
jeder Tag, an dem gehandelt wird. Und für die Klimafolgen, für die
Lebensbedingungen unserer und kommender Generationen zählt jedes
verhinderte Zehntelgrad Erderhitzung.
- Der stockende Ausbau erneuerbarer Energien, wesentlich behindert durch die
Politik der Bundesregierung, führen dazu, dass wir uns derzeit nur auf
einem Ausbaupfad von knapp über 50 Prozent Erneuerbaren in der
Bruttostromerzeugung bis 2030 bewegen. 100 Prozent bis 2030 wären jedoch
notwendig, um die Pariser Klimaziele realistisch einhalten zu können.
Konkrete Umsetzungsmaßnahmen des Kohleausstiegs beispielsweise stehen nach
wie vor aus.
- Auch die Energiewende im Wärmesektor kommt nur schleppend voran.
Energetische Sanierung und Wärmeerzeugung aus erneuerbaren Quellen
stagnieren auf niedrigstem Niveau. Verbindliche Ziele, wie z.B.
Klimaneutrale Gebäude bis 2040, werden von der Bundesregierung weiter
vermieden. Bei aktuellen „Fortschritt“ würde es ca. 100 Jahre dauern,
einen klimaneutralen Gebäudebestand zu schaffen, dieser ist jedoch bis
2040 nötig, um die Pariser Klimaziele realistisch einhalten zu können.
Obwohl die Folgen verfehlter Klimapolitik die Länder und Kommunen treffen, wird
die Umsetzung effektiver Maßnahmen durch die fehlende politische Regulierung auf
Ebene der Bundesregierung maßgeblich erschwert (vgl. Beschluss „Klimaschutz in
den Kommunen“ LDK März 2019). Da sich an diesem Umstand weiterhin nichts
geändert hat, sieht die Landesdelegiertenkonferenz von Bündnis 90/Die Grünen
Mecklenburg-Vorpommern Handlungsbedarf und fordert per Beschluss die
Bundesregierung dazu auf, kommunale Klimapolitik nicht weiter zu behindern.
Dazu ist notwendig, den Ausbau erneuerbarer Energien nicht weiter zu verzögern
und Planungssicherheit durch klare Rahmenbedingungen und Innovationsanreize zu
schaffen, indem
1. im Bereich Windenergie
- anhand der nationalen Verpflichtungen aus dem Paris Abkommen ein
bundesweites Flächenziel Wind spätestens 2020 definiert,
Abstandsregelungen dementsprechend angepasst und ggf. zusätzliche
Kapazitäten zügig ausgeschrieben werden,
- umgehend eine einheitliche Lösung des Konflikts zwischen Artenschutz und
Raumordnung bei der Ausweisung neuer Flächen für Windeignungsgebiete in
einen gesetzlichen Rahmen gefügt wird und Länder und Kommunen bei der
Lösung entsprechender Konflikte unterstützt und nicht sie wie bisher
allein gelassen werden,
- Vorbehalte des Militärs und der Flugsicherung zur Errichtung von
Windkraftanlagen auf den Prüfstand gebracht werden,
2. im Bereich Solarenergie
- stärkere Anreize zur Installation von Photovoltaik, Solarthermie und
Wärmepumpen, geschaffen werden (z.B. Mieterstromregelung, Streichung der
EEG-Umlage auf Eigenverbrauch, Agrophotovoltaik, ...),
- sowie bundesweit Potentiale auf vorhandenen Dachflächen (Solarkataster)
aufgezeigt und zügig ausgeschöpft werden,
3. im Bereich Speichertechnologien
- Anreize für die Installation dezentraler Energiespeicher geschaffen werden
(z.B. Förderprogramme für Eigennutzer*innen von PV-Anlagen)
- und Power2X sowie Speichertechnologien im allgemeinen weiter erforscht und
anhand einer Pfadstrategie nachhaltig ausgebaut werden, um Überkapazitäten
in der Erneuerbaren Erzeugung nicht mehr abriegeln zu müssen und in Zeiten
von Bedarfsunterdeckung verschieben zu können,
4. im Bereich Energiemarkt und -netze
- alle Deckelungen des Ökostromausbaus sofort aufgehoben werden,
- Netzausbau, Sektorkopplung und Digitalisierung der Energieversorgung durch
einen regulatorischen Rahmen vorangebracht werden,
- Netzentgelte für Übertragungs- UND Verteilnetze bundesweit vereinheitlicht
werden, um regionale strukturelle Benachteiligungen zu vermeiden,
- sowie Anwohner*innen und Kommunen an Profiten aus Wind- und
Solarenergieanlagen beteiligt werden um so die Akzeptanz zu erhöhen und
Bürgerenergieinitiativen in diesem Zusammenhang durch eine de minimis
Regelung wiederbelebt werden,
- der Kohleausstieg, aufgeschlüsselt nach Kraftwerksstandorten, ab sofort
verbindlich geplant und konsequent umgesetzt wird,
5. im Bereich Gebäudeenergie
- eine kostenlose Beratung z.B. für Bauherr*innen, Architekt*innen und
Wohnraumeigentümer*innen zum Thema nachhaltige Energie- bzw.
Wärmeversorgung angeboten wird,
- eine nationale Strategie zur vollständigen Dekarbonisierung der
Gebäudebeheizung bis 2040 entwickelt wird,
Es ist zudem unabdingbar, diese dringend notwendigen Investitionen für den
Klimaschutz schon heute zu tätigen, statt sie mit Zins und Zinseszins weiter in
die Zukunft zu verschieben. Das heißt,
1. im Bundeshaushalt müssen unverzüglich die Spielräume für die notwendigen
Investitionen geschaffen werden, z.B. durch
- den Abbau umweltschädlicher Subventionen (z.B. Dieselprivileg,
Steuerbefreiung für Kerosin, Dienstwagensubventionierung, ...)
- Umschichtung von Haushaltsmitteln, z.B. vom Straßenbau in die
Bahninfrastruktur
- und eine an den aktuellen Erfordernissen ausgerichtete Novellierung des
Energie- und Klimafonds
2. alle öffentlichen Anlagen müssen der Divestment-Strategie folgen und dürfen
nicht mehr in klimaschädliche Anlagen investiert werden, dazu muss
- umgehende eine Offenlegungsverpflichtung aller Finanzakteure über die
Klima- und Umweltfolgen ihrer Produkte eingeführt werden,
3. klimaschädliches Verhalten muss eine Preis bekommen, nur so gibt es einen
Anreiz den Treibhausgasaustoß überhaupt zu reduzieren. Dafür ist notwendig, dass
- das jährlichen CO2 Budget schon heute strikt an die nationalen
Verpflichtungen aus dem Paris Abkommen gebunden und der Preis für eine
Tonne CO2 im Emissionshandel, oder besser für eine einheitliche CO2
Steuer, daraus abgeleitet wird. Eine Maximalpreis ist folglich nicht
haltbar,
- eine soziale Umverteilung der Gelder zum Zwecke des Klimaschutz und der
Entlastung von finanziell schlechter gestellten erreicht wird.
Um die erfolgreiche Umsetzung dieses Prozesses über einen Zeitraum von über 30
Jahren zu garantieren, braucht es verbindliche jährliche Zwischenziele, ein
professionelles Monitoring und geeignete Nachschärfungsinstrumente für alle
Sektoren. Diese müssen an der verbindlichen Zusage, das Pariser
Klimaschutzabkommen zu erfüllen gemessen werden. Nur mit dieser Sicherheit kann
es gelingen, die langfristig richtigen Pfadentscheidungen zu treffen und eine
nachhaltige Umsetzung der Klimaschutzmaßnahmen auf Kommunal- und Landesebene zu
ermöglichen.
Begründung
Das Haus brennt.